Am praktischen Beispiel
Jedes Jahr bildet der ASB Mittel-Brandenburg Azubis zu Pflege(fach)kräften aus. Diese Aufgabe teilt er sich mit versierten Pflegeschulen und Partnern. Gemeinsam vermitteln wir alle wichtigen Kompetenzen, um Menschen gut versorgen und pflegen zu können.
Wir sind verabredet in Ludwigsfelde vor den ASB-eigenen seniorengerechten Wohnungen mit den Kolleginnen Lisa Mundil, Katharina Ringleb und Janine Küchler. Janine kam als Quereinsteigerin vor knapp zwei Jahren zum Team unseres Demenzheimes in Ludwigsfelde. Mittlerweile steht sie am Ende ihres ersten Ausbildungsjahres zu Pflegefachkraft. Damit sie später Pflege in allen Variationen kennen, absolvieren unsere Azubis Praxiseinsätze in anderen Einrichtungen wie Krankenhäusern, psychiatrischen Abteilungen, Arztpraxen und unter anderem auch in der ambulanten Pflege. Hier können sie unter Aufsicht und Anleitung von erfahrenen Ausbildern ihr theoretisches Wissen aus der Pflegeschule am praktischen Beispiel vertiefen. Je nach Lehrjahr sind die Aufgaben unterschiedlich komplex.
Lisa Mundil und Katharina Ringleb leiten heute Janine Küchler an. Sie sind sogenannte Praxisanleiterinnen. Das heißt, sie haben neben ihrer Kompetenz als Pflegefachkraft in einer zusätzlichen Weiterbildung gelernt, pflegerisches Know-how an Dritte weiterzugeben und sie anzuleiten. Janine hat heute ein komplexes Programm: Sie muss zwei Betreuungsangebote umsetzen, üben, wie man Puls- und Blutdruck misst und Medikamente stellen. So nennt man da Vorbereiten der richtigen Medikation für den richtigen Menschen zu genau der richtigen Zeit.
Wir sind bei Sabine Kleinschmidt, einer aufgeweckten 85-jährigen Frau, die gerne mit den Pflegekräften rumscherzt und ihnen die Zunge rausstreckt. Da sie fast blind ist, benötigt sie die Unterstützung vom ASB. Als erstes wird der Puls gemessen. Doch wo ist er? Nach einigem Suchen hat Janine ihn mit Hilfe von Lisa am Handgelenk gefunden. sie schaut auf die Schwestern-Uhr und zählt gedanklich mit. Der Puls kann auf Probleme beim Herzen oder andere Erkrankungen hindeuten. Auch der Pulsrhythmus wird geprüft. Je regelmäßiger der Puls geprüft wird, desto leichter lassen sich Veränderungen erkennen. Die Blutdruckmessung klappt für Janine dagegen auf Anhieb. Zum Abhören nutzt sie ein besonderes Lehr-Stethoskop. Anstelle zweier Ohrbügel hat das Stethoskop vier Ohrbügel, sodass Lisa genau das gleiche wie Janine hört und ihre Werte überprüfen kann. Im Anschluss geht es zu einem kleinen Spaziergang nach draußen. Erst am Tag zuvor hatte Janine ihre Leistungskontrolle in dem Bereich Betreuung erfolgreich gemeistert. Trotzdem bleibt es weiterhin Bestandteil ihrer Ausbildung.
Generalisten bevorzugt
Während früher die Ausbildung von Altenpflegerinnen, Kinderpflegerinnen und die Gesundheits- und Krankenpflege separate Disziplinen waren, hat man 2020 die generalistische Pflegefachkraftausbildung geschaffen. Allen Auszubildenden wird nun das gleiche Fachwissen vermittelt, so dass sie später als Fachkräfte problemlos zwischen den Versorungsbereichen wechseln können. Grundsatz dieser Umstellung ist es nun auch, dass bereits im ersten Ausbildungsjahr alle Bereiche der Pflege vermittelt und je nach Ausbildungsstand intensiviert werden. Anstatt dass also Janine im ersten Ausbildungsjahr beispielsweise die Betreuung lernt, abschließt und dann frühestens wieder in ihrem Berufsleben als Fachkraft damit in Berührung kommt, lernt sie nun in jedem Ausbildungsjahr tiefergehende Aspekte dieses Wissensbereiches und wird regelmäßig geprüft. Gleiches gilt für die Wundversorgung, Injektionen, Pflegeplanung, Medikation, Sterbebegleitung und vieles mehr. Im letzten und dritten Ausbildungsjahr können die Auszubildenden ihren Schwerpunkt legen. In Janines Fall ist es die Versorgung und Pflege von Seniorinnen und Senioren.
Übung macht den Meister
Bei Johanna Köhler, der nächsten Patientin, darf Janine Küchler alle Übungen wiederholen: Puls und Blutdruck messen, Betreuungsangebote schaffen. Während die Pulsmessung nun super klappt, bekommt Janine keine Werte bei der Blutdruckmessung. Auch Lisa kann keinen Blutdruckwert ermitteln. Was ist schief gelaufen? „Zu große Pausen beim Luftabpumpen und zu schnelle Luftablassung können dafür sorgen, dass man überhaupt kein Messergebnis bekommt“, klärt Lisa auf. „Eine zu enge oder zu weite Manschette kann dagegen die Blutdruckwerte verfälschen. Das passiert auch, wenn die Manschette zu tief oder zu hoch über dem Herzen liegt.“ Janine nickt. „Also gleichmäßig zügig die Manschette aufpumpen und die Luft langsamer ablassen“, murmelt sie mehr zu sich selbst als zu Frau Mundil oder Frau Köhler. Letztere freut sich und wittert ihre Chance: Da bei Frau Köhler Puls und Blutdruck gerne ‚Achterbahn fahren‘, bietet sie sich Janine gleich als Übungsobjekt an. „Sie dürfen gerne jederzeit zu mir kommen und an mir üben, gerne auch mehrmals a, Tag.“ Eine Win-Win-Situation für beide. Bei einem gemeinsamen Memory-Spiel wird der nächste Besuch ausgehandelt. Doch auch gemeinsam im Team haben Janine Küchler und Johanna Köhler keine Chance. Praxisanleiterin Lisa Mundils wachem Auge entgeht auch beim Memory kein Detail und so geht sie als Siegerin aus dem Spiel hervor.
Eselsbrücken bauen
Zurück in der Sozialstation werden für eine Kundin die Medikamente der nächsten Woche vorbereitet. Früher durften das Auszubildende erst im dritten Lehrjahr. Durch die generalistische Pflegeausbildung übt Janine Küchler das bereits im 1. Ausbildungsjahr. Doch bevor es losgehen kann, wird alles desinfiziert, Handschuhe übergezogen und jeder Schritt von Janine laut beschrieben. Doch Lisa bremst sie ab: „Was ist die 6-R-Regel?“ Janine muss nicht lange überlegen: „Richtiger Patient, richtige Arznei, richtige Dosierung, richtige Verabreichung, richtiger Zeitpunkt und richtige Dokumentation.“ Jede Regel muss peinlichst genau beachtet werden. Im Laufre ihrer Ausbildung wird sie noch viele Regeln und Merksätze kennenlernen, die ihr die Prüfungsvorbereitung und die praktische Arbeit erleichtern werden. So langsam füllen sich in den einzelnen Fächern die Tabletten. Noch kennt Janine ihre Wirkungen nicht und weiß auch nicht, warum sie verschrieben wurden. All das wird sie noch lernen und im Rahmen ihrer Ausbildung weiter vertiefen. Doch bevor es so weit ist, übt sie den richtigen Umgang mit Tabletten, Kapseln, Tröpfchen und Co.
Und so wie sich in der Tablettenbox die Fächer füllen, steigt mit jedem Tag das Wissen und die Kompetenz unserer Auszubildenden. Irgendwann werden auch sie die nächste Generation anleiten und anlernen.